Heizöl Rückblick November 2020: Impfstoff, US-Wahlen, Rückenwind für Ölpreise

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Trotz der Coronarekorde bei Neuinfektionen und Todeszahlen markierte der November für den Ölmarkt mehr als eine Kehrtwende: Die Hoffnung auf Impfstoffe, der Ausgang der US-Wahlen und scheinbar unausweichliche weitere OPEC+-Kürzungen animierten die Ölnotierungen zu Preisrekorden.

Im Überblick: Der Ölmarkt 2020

  • Januar: Handelsstreit, Spannungen im Nahen Osten und Virusangst sorgen für Ausnahmezustand
  • Februar: Covid-19 breitet sich auf der Welt aus, OPEC+ ringt um Kürzungen
  • März: Corona-Pandemie und Preiskrieg schicken Schockwellen durch den Markt
  • April: Pandemie sorgt für negative Ölpreise und Rekordkürzungen
  • Mai: Pandemie-Lockerungen und Förderkürzungen befeuern Ölnachfrage
  • Juni: Weitere Lockerungen treiben Nachfrage wieder an – Infektionen bleiben hoch
  • Juli: Zweite Welle stürzt Ölmarkt erneut in Unsicherheit
  • August: Hoffnung auf steigende Ölnachfrage wird immer wieder getrübt
  • September: Pessimismus macht sich breit – doch der Markt bleibt realistisch
  • Oktober: Ölmarkt in tiefem Pandemie-Pessimismus

 

Kompakt informiert: Die wichtigsten Entwicklungen für den Ölmarkt im November 2020

  • US-Wahlen: Joe Biden wird neuer Präsident
  • Zwei Corona-Impfstoffe kurz vor einer möglichen Zulassung
  • OPEC+-Gruppe lässt sich zu weiteren Kürzungen nicht in die Karten blicken

 

Die Entwicklung der Ölpreise

Analysten mit schwachem Kreislauf mussten im November ein ums andere Mal eine Verschnaufpause einlegen. Denn die täglichen News und Preisentwicklungen glichen einer Achterbahn mit besonders steilen Kurven.

Nachdem der November mit Mehrmonatstiefs bei Rohölnotierungen und dem Heizölpreis begonnen hatte, drehte er in eine Preisrallye und schickte die Notierungen in ein 20-prozentiges Plus und auf Höchstwerte wie zuletzt im März 2020.

Dazwischen hielt der Wahlkrimi in den USA die Welt in Atem, zwei Corona-Impfstoffe zeigten in Studien eine fast unerwartet hohe Wirksamkeit, und die OPEC+-Gruppe tagte am Monatsende über weitere Kürzungen über 2020 hinaus.

Zwar nahm der Preisschwung um das Thanksgiving-Wochenende sichtbar ab, dennoch hatte sich der Heizölpreis zum Monatsende um fast 17 Prozent nach oben bewegt. Die Frage ist nun, ob der November eine Trendwende eingeläutet hat oder ob die Euphorie zum Jahreswechsel wieder der Enttäuschung weicht. Möglich ist beides.

Die Heizölpreisentwicklung im November 2020 im Überblick // Alle Angaben ohne Gewähr // © TOTAL

 

Impfstoffhoffnung vs. Pandemie-Entwicklung

Realistisch betrachtet ist die Corona-Pandemie derzeit so schlimm wie niemals zuvor. Rekordwerte bei Infektionen und Todeszahlen sprechen eine deutliche Sprache. Zum Monatsanfang war diese Realität auch ein wichtiger Grund für den anhaltenden Pessimismus und Langzeittiefs bei den Heizölpreisen.

Doch zwei Forscherteams brachten gen Monatsmitte nicht nur Hoffnung, sondern möglicherweise einen greifbaren Ausweg aus der Spirale aus Lockdowns und sinkenden Nachfragewerten: Moderna und BioNTech meldeten, dass ihre jeweiligen Impfstoffe in Anwendungsstudien eine Schutzwirkung von um die 95 Prozent entfaltet hätten und kaum Nebenwirkungen zeigten.

Der Markt reagierte prompt und deutlich: Die Ölpreise kamen nicht nur aus ihren Tälern zurück, sie traten den steilen Weg nach oben an. Befeuert wurde diese Euphorie von der Aussage US-amerikanischer Offizieller, dass beide Impfstoffe eine Notzulassung erhalten dürften und schon im Dezember mit dem Impfen begonnen werden könnte.

Europa zeigte sich zwar einen Hauch verhaltener, sah den Zeitrahmen für erste Impfungen aber ähnlich. Genau auf diese Meldung hatten die Händler (und die Welt) seit Monaten gewartet. Die „Erlösung“ ließ sich daher auch nicht ohne Grund deutlich an den Ölpreisen ablesen.

Zwar ist allen bewusst, dass weder eine Zulassung noch erste Impfungen das Ende der Pandemie bedeuten. Bis die Maßnahmen ihre Wirkungen entfalten, dürften noch einige Monate ins Land gehen. Bis dahin sind Lockdowns und Beschränkungen wohl weiter an der Tagesordnung und senken die Ölnachfrage. Doch während es noch vor wenigen Wochen keine Aussicht auf Besserung gab, wird diese Option jetzt immer greifbarer.

 

OPEC+: Tiefe Risse und Poker um Kürzungen

Bei Redaktionsschluss zu diesem Monatsbericht beriet die OPEC-Vollversammlung noch intensiv über mögliche weitere Kürzungen über das Jahr 2020 hinaus. Und wie schon in den Wochen zuvor zeigte sich, wie sehr das Förderkartell unter Druck steht:

Für den Markt ist eine dreimonatige Verlängerung der Kürzungsbeschränkungen um 7,7 Mio. Barrel pro Tag beschlossene Sache. Doch für das Kartell stellt sich die Situation wesentlich uneinheitlicher dar:

Einerseits gibt es Länder wie Irak, die ihre aktuellen Kürzungsvorgaben noch nicht erfüllt haben und eigenmächtig mehr Öl als in den Quoten festgehalten förderten. Einige dieser Abweichler haben ihre Nachholbedingungen noch nicht erfüllt.

Andererseits gibt es Länder wie Libyen, die von den Kürzungen ausgenommen sind und ihre Förderung in den vergangenen Monaten deutlich gesteigert haben. Die libysche Fördermenge hat sich seit September verzehnfacht. Grund dafür sind die Fortschritte in den Friedensverhandlungen zwischen Libyens Regierung und den Truppen von General Haftar. Diese Truppen hatten zuvor zahlreiche Ölförderanlagen besetzt oder beschädigt, nach und nach werden die Infrastrukturen wieder freigegeben.

Zwischen diesen Polen bewegen sich die großen Förderer Russland, Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate, die sich im Vorfeld der Verhandlungen immer wieder als Korrektor und auch mit Drohgebärden in Position brachten.

So waren die saudischen Ölexporte rückläufig, während die Gesamtförderung der OPEC stieg. Gleichzeitig hielt Saudi-Arabien daran fest, dass man keine voreiligen Beschlüsse fassen dürfe, aber weitere Kürzungen unumgänglich seien.

Die Vereinigten Arabischen Emirate waren die größten Kritiker der derzeitigen Lage und ließen immer wieder deutlich werden, dass sie nur zu Verlängerungen und Kürzungen bereit sind, wenn sich alle Mitglieder an ihre Quoten halten. Der offensichtliche Frust habe laut anonymer Quellen sogar dazu geführt, dass die VAE über einen Austritt aus der OPEC nachdenken.

Russland – als zweitgrößter Förderer der Welt und direkter Marktkonkurrent zu den USA – führte seinen widerstrebenden Kurs fort: Wir kürzen, wollen aber jetzt wieder mit dem Anheben beginnen.

Das technische OPEC-Komitee JMMC prognostizierte einen Nachfrageüberschuss für 2021 – aber nur, wenn die Kürzungen bis Mitte 2021 verlängert würden. Dies war jedoch keine „offizielle“ Empfehlung, das Komitee konnte sich genauso wenig festlegen wie die Einzelmitglieder in den Wochen und Monaten zuvor.

Es war daher kaum überraschend, dass sich die führenden Köpfe der OPEC bei einem informellen Vortreffen zur Vollversammlung nicht auf eine Strategie einigen konnten. Genauso wenig überraschte es, dass es laut OPEC-Präsident Abdelmadjid Attar zwar einen generellen Konsens über eine dreimonatige Verlängerung gäbe, aber ein Treffen der OPEC mit allen Bündnispartnern (inklusive Russland) aufgrund Uneinigkeit um zwei Tage verschoben wurde.

Am Markt sind die ersten drei Monate 2021 jedoch bereits mit einer weiterhin geringen OPEC-Förderung eingepreist. Demzufolge würde nur eine Nichtverlängerung noch hohe Wellen in den Ölpreisen schlagen – natürlich zum Negativen.

 

USA: Endlich eine Entscheidung zur Präsidentschaft

Die US-Präsidentschaftswahlen bescherten vielen Analysten und Marktbeobachtern eine ganze Woche lang schlaflose Nächte. Das Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Biden und Trump ließ riesigen Spekulationsraum für den möglichen Ausgang – und verdeutlichte auch die Frage, was der jeweilige Ausgang für die Ölpreise bedeuten könnte.

Trump ist klarer Verfechter der „fossil first“-Strategie und hat während seiner Amtszeit zahlreiche Restriktionen der Obama-Regierung zurückgenommen. Joe Biden wiederum steht als ehemaliger Vizepräsident Obamas für eine andere Energiepolitik, hat aber gleichzeitig nach Analystenmeinung Corona-Konjunkturhilfen stärker im Blick.

Der Sieg Bidens gab dem Ölmarkt trotz dieser Ambivalenz einen klaren Anschub: nicht nur, weil endlich ein Ergebnis vorlag, sondern auch, weil Biden bald positive Signale für seine Amtszeit aussandte:

Janet Yellen, erfahrene Ex-Chefin der US-Notenbank Fed, soll Finanzministerin werden. Damit nimmt die Wahrscheinlichkeit Konturen an, dass es bald ein tragfähiges Corona-Hilfspaket geben könnte.

Allerdings erwarten Beobachter, dass Biden die harten Sanktionen gegen Iran und Venezuela womöglich etwas lockert – was einen Anstieg des Ölangebots zur Folge haben könnte. Die Chinafrage dürfte ebenfalls neu verhandelt werden und möglicherweise klare Nachfrageimpulse setzen.

Davon abgesehen befinden sich die USA nun in einer Übergangsphase: Noch kann Trump Entscheidungen treffen, die den Verlauf der Pandemie und andere Aspekte der Ölpreisentwicklung beeinflussen könnten. Weitere Lockdowns sind geplant oder werden bereits umgesetzt. Die US-Öllager sind dementsprechend gut gefüllt, auch wenn die Verarbeitungstätigkeit der Raffinerien auf einem neuen Mehrmonatshöchststand liegt.

 

Weitere News in Kürze

  • Nach Streik norwegischer Ölarbeiter steigt Produktion wieder deutlich an
  • Chinas Ölnachfrage steigt sichtbar
  • Iran und Venezuela umgehen offenbar erfolgreich US-Sanktionen
  • Monatsberichte OPEC, IEA, EIA: sinkende Nachfrage 2020/2021
  • Raketenangriff auf irakische Raffinerie – IS bekennt sich zum Anschlag

 

Was auf dem Ölmarkt im Dezember 2020 wichtig bleibt

Das Jahresende 2020 könnte zumindest teilweise in die Tat umsetzen, was der November angedeutet hat: Erste Impfungen dürften die Hoffnung auf ein baldiges Ende der Pandemie schüren, was wiederum die Nachfragewerte anschieben könnte. Weihnachten wird eine ähnlich heikle Angelegenheit für die Infektionszahlen wie schon Thanksgiving – die Frage nach der Pandemie-Disziplin aller Nationen bleibt.

Die (bisher noch ausstehende) OPEC-Entscheidung ist in jeder Variante vorerst nur ein Preissignal, keine Tatsache. Denn die tatsächliche Balance zwischen Angebot und Nachfrage – auch über die Förderquoten – dürfte einmal mehr fast täglich ausgehandelt werden. Bis zum Jahresende 2020 bleibt der Markt in dieser Hinsicht unverändert. Nur die Stimmung könnte einmal mehr drehen.

Zum Jahresende werden unsere täglichen Heizölnews und die Heizölpreisseite also weiterhin die beste Informationsquelle bleiben, um den individuell attraktivsten Zeitpunkt für den Heizölkauf zu bestimmen.