Heizöl Rückblick September 2020: Vernünftiger Pessimismus bestimmt Ölpreisentwicklung

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Die zweite Infektionswelle rollt, die Nachfrage erholt sich bisher nicht: Der September war von klarem Pessimismus am Ölmarkt geprägt. Doch neuer Realismus und vernünftige Analysen verhinderten langfristigere Preisrutsche.

Im Überblick: der Ölmarkt 2020

  • Januar: Handelsstreit, Spannungen im Nahen Osten und Virusangst sorgen für Ausnahmezustand
  • Februar: Covid-19 breitet sich auf der Welt aus, OPEC+ ringt um Kürzungen
  • März: Covid-Pandemie und Preiskrieg schicken Schockwellen durch den Markt
  • April: Pandemie sorgt für negative Ölpreise und Rekordkürzungen
  • Mai: Pandemielockerungen und Förderkürzungen befeuern Ölnachfrage
  • Juni: Weitere Lockerungen treiben Nachfrage wieder an – Infektionen bleiben hoch
  • Juli: Zweite Welle stürzt Ölmarkt erneut in Unsicherheit
  • August: Hoffnung auf steigende Ölnachfrage wird immer wieder getrübt

 

Heizölpreisentwicklung im September 2020 im Überblick

 

Die Heizölpreisentwicklung im September 2020 im Überblick // Alle Angaben ohne Gewähr // © TOTAL

 

Kompakt informiert: die wichtigsten Entwicklungen für den Ölmarkt im September 2020

  • Zweite Infektionswelle wird zur Realität
  • OPEC+: Ölkartell sucht nach Balance

 

Die Ölpreisentwicklung

Hatten viele Händler noch im August Anlass zur Hoffnung, dass sich die Nachfrage trotz Corona erholt, wurde im September klar, dass die zweite Infektionswelle rollt und alle Erholungstendenzen mit sich zu reißen droht.

Eine viel beachtete Prognose behauptete sogar, dass die Ölnachfrage ihr Allzeithoch schon im vergangenen Jahr überschritten habe. Die Corona-Pandemie würde diese Entwicklung nur beschleunigen.

Hätte eine solche Einsicht zu jeder anderen Zeit einen akuten Preisrutsch ausgelöst, orientierten sich die Ölnotierungen im September zwar eindeutig nach unten, fanden aber auch wieder Halt in stabileren Preislagen.

Im Vergleich zum Vormonat verlor Brent 6,7 Prozent an Wert, ICE Gasoil rund sieben Prozent. Zwischenzeitlich bewegte sich der Heizölpreis auf einem Vierjahrestief. Doch auch aus dieser Talsohle kletterte der Ölpreis relativ schnell wieder heraus.

Viele Analysten betrachteten diese Entwicklung als Ausdruck eines neuen Realismus. Der Ölmarkt hat wohl akzeptiert, dass die globale Pandemie vorerst bleiben wird. Er hat auch akzeptiert, dass die Nachfrage hinter (vormaligen) Erwartungen zurückbleibt. Auf der anderen Seite gab es genug kurzfristige Ereignisse, die das Ölangebot punktuell verknappt und damit dem Ölpreis wieder Aufschwung gegeben haben. Die Hurrikan-Saison in den USA sah allein im September drei Stürme, die die Ölproduktion im Golf von Mexiko vorsorglich zum Erliegen brachten. Kein Sturm erreichte die befürchteten Kategorien, doch die Produktion stockte sichtbar.

Allerdings schrumpften diese Ausfälle das Angebot kaum nennenswert zusammen. Auf der so wichtigen Nachfrageseite stehen die steigenden Infektionszahlen und mögliche neue Lockdowns als Maßnahme gegen die zweite Welle jeder Erholung entgegen. Die Frage ist nur: Was macht der Markt mit dieser Einsicht?

Corona und die Ölnachfrage: Korrektur der Markteinstellung

Inzwischen sind mehr als eine Million Menschen an den Folgen von Covid-19 gestorben, weltweit gibt es mehr als zwei Millionen gemeldete Neuinfektionen – Tendenz steigend. Angesichts dieser Zahlen und Prognosen scheint der Ölmarkt im September vor allem darauf aus gewesen zu sein, seine verhaltene Euphorie aus den Vormonaten zu korrigieren.

Zwar gab es Preisreaktionen auf den Stopp einer vielversprechenden Impfstudie und den Rückgang chinesischer Importe um rund 40 Prozent. Doch die Effekte waren nicht von Dauer. Genauso wenig reagierte man nachhaltig auf die Monatsberichte von OPEC, IEA und EIA.

Diese brachten jedoch den derzeitigen Zustand des Marktes auf den Punkt: In Sachen Nachfrageentwicklung sollte man kaum noch Hoffnungen in das Jahr 2020 setzen. Zumindest für 2021 darf man noch etwas optimistisch sein: Vorerst gehen die Analysten davon aus, dass es nicht noch weiter bergab geht. Einige sagen Barrelpreise über 60 Dollar voraus – ein Wert, der momentan utopisch klingt.

Diese Zahlen betrachten allerdings weniger die Nachfrageseite als das Angebot. Und hier ist die OPEC+-Gruppe als einer der wichtigsten preisstabilisierenden Faktoren besonders gefragt. Doch das Kartell scheint momentan genauso mit der neuen Realität der zweiten Welle überfordert wie der Rest der Welt.

OPEC+-Gruppe: die kritische Balance aus Fördern und Fordern

Um ein klares Bild vom Zustand der Förderkürzungen und Förderanhebungen innerhalb der OPEC+-Gruppe zu erhalten, muss man derzeit schon komplizierte Schaubilder erstellen. Denn fast täglich werden teils widersprüchliche Statements oder Vorhaben öffentlich, bei denen am Ende kaum noch jemand durchblickt.

Bestes Beispiel im September war Irak. Das Land hatte während des Kürzungspakts eigenmächtig mehr Öl als vereinbart exportiert, sich dann aber beeilt zu versichern, man werde in der sogenannten Kompensationsphase seine vereinbarten Kürzungsquoten nachholen. Dann wiederum hieß es, man verhandle über Exportsteigerungen und wolle das Kartell bitten, von der nächsten (erwarteten) Kürzungsrunde im kommenden Jahr ausgenommen zu werden. Irak ist als zweitgrößter OPEC-Förderer ein wichtiger Leistungsträger bei der entscheidenden Marktbalance von Nachfrage und Angebot – und hat diese Rolle bisher kaum erfüllt.

Anders sah dies in Saudi-Arabien aus, wo man zwar ebenfalls erst einmal die Förderung gesteigert hatte, dennoch klar bei den Quoten blieb. Schließlich hat Saudi-Arabien bisher mehr Öl vom Markt genommen als vereinbart. Die saudische Ölproduktion ist und bleibt eines der entscheidenden Druckmittel innerhalb der OPEC, da sie angesichts der schieren Größe fast beliebig ausgeweitet oder begrenzt werden kann. Mit einem enormen Preisnachlass für saudische Ölexporte ließ der größte Produzent des Kartells allerdings erneut seine Muskeln spielen – dicht gefolgt von den Vereinigten Arabischen Emiraten, die ihre Förderung erhöhten und ebenfalls die Lieferpreise senkten.

Libyen hatte bisher kaum noch eine nennenswerte Produktionsquote. Doch das sollte sich im September ändern. Nach monatelangen Blockaden und Auseinandersetzungen zwischen den Truppen General Haftars und der regierungstreuen Armee nahmen zum Monatsende zahlreiche Ölfelder, Pipelines und Verladehäfen erstmals wieder den Betrieb auf.

Die vom Bürgerkrieg dezimierte Ölindustrie will die Kapazitäten bis Ende des Jahres auf die Hälfte des Normalniveaus bringen. Ob der Plan aufgeht, ist angesichts der offensichtlichen Schäden an der Infrastruktur fraglich. Dass dieser Neustart zum denkbar falschen Zeitpunkt kommt, ist klar.

Iran und Venezuela sind unterdessen vor allem ein heikles politisches Thema, weil ihre Förder- und Exportsteigerungen deutlich machen, dass die Länder die verhängten US-Sanktionen umgehen.

Trotz all dieser Entwicklungen soll die OPEC+ im August und September die Quoten zu über 100 Prozent erfüllt haben. Das beruhigte den Markt im September zwischenzeitlich. Doch es ist klar, dass es nun unbedingt einen Plan braucht, der über die kommenden Monate hinaus reicht und den Fakt der zweiten Welle mit einer Justierung des Angebots auffängt. Bisher meldete sich nur das technische Komitee JMMC mit Empfehlungen zu Wort, die nächste (digitale) Versammlung soll nach bisherigem Stand erst Ende November stattfinden.

Weitere News in Kürze

  • Norwegische Ölarbeiter streiken
  • Gespräche zu Corona-Hilfspaket in den USA laufen wieder an
  • USA und China installieren neue Sanktionen und drohen mit Aufkündigung des Teilabkommens
  • Fed sieht Nullzinspolitik bis 2023
  • China will die Ölreserven deutlich aufstocken

Was auf dem Ölmarkt im Oktober 2020 wichtig bleibt

Mit der beginnenden Kältephase in der nördlichen Hemisphäre startet eigentlich auch die Heizsaison, die traditionell für eine höhere Nachfrage nach Heizöl und anderen Ölprodukten sorgt. Die Frage ist jedoch, wie stark die zu erwartende Steigerung ausfällt und ob dieser Faktor der Nachfrage ausreicht, um alle anderen negativen Aussichten zumindest etwas zu kompensieren.

Die Entwicklung der Pandemie bleibt natürlich im Fokus – genauso wie die Maßnahmen aller betroffenen Länder. Generell stehen langfristige Prognosen weiterhin außer Frage. Deshalb sollten sich Heizölkäufer in unseren täglichen Heizölnews informieren und auf unserer Heizölpreisseite ihren persönlichen Kaufzeitpunkt für Heizöl überprüfen.