Heizöl Monatsrückblick April 2020: Die Pandemie hat die Welt fest im Griff

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Negativpreise für amerikanisches Öl, verzweifelte Reaktionen auf den weltweiten Nachfrageeinbruch und Lagerkapazitäten an der absoluten Belastungsgrenze: Der April zeigte deutlich, wie die Pandemie den Ölmarkt verändert hat – vielleicht für lange Zeit.

Im Überblick: das Öljahr 2020

  • Januar: Handelsstreit, Spannungen im Nahen Osten und Virusangst sorgen für Ausnahmezustand
  • Februar: Covid-19 breitet sich auf der Welt aus, OPEC+ ringt um Kürzungen
  • März: Covid-Pandemie und Preiskrieg schicken Schockwellen durch den Markt

 

Kompakt informiert: die wichtigsten Entwicklungen im April 2020

  • Erstmals in der Geschichte Negativpreise für WTI
  • Weltweite Lagerkapazitäten nähern sich rasant dem Limit
  • Rekordkürzungen der OPEC+-Gruppe und weiterer Fördernationen


Stellenweise wirkte der April wie ein wahr gewordenes Worst-Case-Szenario, das sonst nur von Wirtschaftsstudenten zu Übungszwecken durchgespielt wird. Denn mit Negativpreisen auf die amerikanische Leitsorte WTI hatte niemand wirklich gerechnet. Genauso wenig wie mit der Tatsache, dass die weltweiten Lagerkapazitäten für Öl in sehr naher Zukunft erschöpft sein werden.

Die gesamte Welt suchte im April intensiv nach Möglichkeiten, den enormen Nachfrageeinbruch durch die Covid-Pandemie aufzufangen und die Ölpreise zu stabilisieren. Antworten, Ansätze und konkrete Maßnahmen gab es viele. Doch bis Monatsende blieb der Erfolg erst einmal aus.

Dennoch wäre es kurzsichtig, den April als Katastrophe abzutun und schlicht auf eine steigende Nachfrage zu hoffen. Vielmehr war der Monat so etwas wie ein Realexperiment für das zukünftige Gesicht der Ölwirtschaft, aus dem der Markt einiges für die kommenden Monate gelernt haben könnte.

Außerdem gab es trotz aller schockierenden Meldungen einen klaren Gewinner: Heizölkäufer profitierten von stabil niedrigen Werten, die eine Tankfüllung zum echten Schnäppchen machten.
 

Heizölpreisentwicklung im April 2020 im Überblick
 

Die Heizölpreisentwicklung im April 2020 im Überblick // Alle Angaben ohne Gewähr // © TOTAL

Negativpreise als Schock und Weckruf

Mitte April brach die Notierung für die amerikanische Leitölsorte WTI innerhalb eines Tages um rund 320 Prozent ein und lag erstmals in ihrer Geschichte im negativen Bereich. Kurz zuvor waren bereits einige weniger wichtige US-Sorten diesen Weg gegangen. Bei Negativpreisen für ein Barrel müssen die Anbieter etwas drauflegen, damit der Abnehmer das Öl kauft.

Das klingt paradox – und das ist es auch. Doch es zeigt erstens, in welcher Situation sich der Markt allgemein befindet, und macht zweitens klar, dass die (amerikanische) Ölindustrie eine neue Ära betreten hat.

Die europäische Leitsorte Brent wurde zwar ebenfalls deutlich nach unten gezogen, blieb aber dennoch weit vom Negativbereich entfernt. Brent ist auf dem Markt breiter aufgestellt, wird von mehr Abnehmern gekauft und reagiert preislich gleichzeitig wesentlich empfindlicher auf geopolitische Risiken wie Kriege oder auf Förderausfälle. Außerdem: Wenn die OPEC kürzt, kürzt sie vorrangig das Angebot an Brent. Damit verliert Brent selbst in der derzeitigen Lage weniger an Wert, wenn die Nachfrage sinkt.

Die amerikanische Ölindustrie hatte zuletzt auf Rekordniveau gefördert und gepokert, dass der grundsätzlich niedrigere Preis für WTI einen Kaufanreiz schafft. Es hatte jedoch niemand damit gerechnet, dass die Pandemie die Nachfrage so gründlich vernichtet, dass es schlicht keine Abnehmer mehr für Öl gibt – schon gar nicht für eine „speziellere“ Sorte wie WTI.

Zusammen mit einem Frontmonatswechsel bei Termingeschäften, die derzeit niemand mehr eingehen will, ergab sich damit die denkbar ungünstigste Konstellation, die letztendlich zur historischen Talfahrt führte.

Der Preisschock war ein handfester Weckruf für die amerikanische Ölindustrie, die sich nun Gedanken um das eigene Überleben machen muss. Hatten kleinere Produzenten schon im Vorfeld immer wieder nach umfangreichen Kürzungen und einem Eingreifen der US-Energiebehörde gerufen, taktierten die großen Wettbewerber nach der Überzeugung, dass der Markt die Preise regeln wird. Das hat er auch – nur eben ganz und gar nicht im Sinne der Unternehmen.

Folgerichtig gab es Ideen zu Kürzungen in Texas und sogar zu einer intensiven Zusammenarbeit mit der OPEC+-Gruppe bei möglichen Produktionsbeschränkungen. Dazu ist es zwar bisher nicht gekommen – und die ersten Pandemielockerungen sorgen bereits wieder für einen leichten Anstieg der Binnennachfrage.

Doch die Negativpreise verändern offensichtlich die Marktstruktur der USA, kleinere Anbieter stehen kurz vor dem Aus. Statistiken zeigen außerdem, dass die Förder- und Investitionsaktivitäten rasant sinken. Es wird also zwangsläufig zu einer Neubewertung der eigenen Produktionsleistungen kommen müssen. Denn Analysten sind der Meinung, dass erneute Negativpreise nicht ausgeschlossen werden können.

Fehlende Abnehmer und eine stark gedrosselte Verarbeitung von Rohöl führen außerdem auch in den USA zu einem logistischen Problem, mit dem sich die ganze Welt momentan intensiv befassen muss:

Nicht nur das zukünftige Öl wird zur immer größeren Herausforderung für die Wirtschaft. Wesentlich größere Sorgen bereitet das derzeit verfügbare Öl.
 

Lagerkapazitäten als Belastungstest für die Industrie

Es wäre fast amüsant, wäre es nicht derart symbolbeladen: Die USA haben vor wenigen Monaten eine Rekordmenge Öl in Saudi-Arabien bestellt. Der Terminkontrakt über 40 Millionen Barrel wurde im April fällig, die Lieferung machte sich dementsprechend postwendend auf den Seeweg.

Nur hatte dieses Geschäft offensichtlich niemand mehr so recht auf dem Schirm – und das knappe Dutzend Tanker versetzte die gesamte USA in helle Aufregung.

Denn Amerika hat nicht einmal mehr genug Lagerfläche, um das eigene Öl unterzubringen. Jedes saudische Barrel nimmt einem heimischen Barrel den Platz weg, lautete die etwas dramatische Parole. Doch die Fakten dahinter stimmen.

Laut aktuellen Prognosen dürfte das größte Umschlagslager der USA in Cushing, Oklahoma, in wenigen Tagen seine absolute Lagerkapazität erreicht haben. Einige Produzenten haben die Stilllegung von Pipelines beantragt, um das geförderte Öl zwischenzulagern. Der US-Präsident überlegt, Lagerflächen der strategischen Reserve zu vermieten. Für 40 Millionen Barrel saudischen Öls ist also wirklich kein Platz.

Doch die USA sind nicht allein. Die Welt steht in der Pandemie still, die aktuelle Ölnachfrage ist unwiderruflich vernichtet. Dennoch wird täglich Öl aus dem Boden geholt und auf dem Markt gehandelt. Schließlich arbeitet der Rohstoffmarkt hauptsächlich mit Terminkontrakten, die zu einem gewissen Zeitpunkt fällig werden – ob man das Produkt nun braucht oder nicht.

Zwischenlösungen wie Öltanker erweisen sich zunehmend als unbrauchbar, da sie immer teurer werden – und auch diese Lösung ist bereits am Platzlimit. Vor Singapur sammeln sich Öltanker in den Umschlagshäfen, die ihre Ladung nicht mehr loswerden.
 

Produktionskürzungen als dringliche Gegenmaßnahme

Eine typische Antwort auf ein Überangebot sind künstliche Produktionskürzungen. Die OPEC+-Gruppe hat hier in ungewohnter Einigkeit im April rigorose Maßnahmen ergriffen. Die preisstabilisierende Wirkung der Rekordkürzungen von 10 Mio. B/T verpuffte jedoch praktisch sofort. Denn jedem Marktteilnehmer war klar, dass diese Einschränkungen nur ein Tropfen auf einem sehr, sehr heißen Stein sind.

Konkrete Anhaltspunkte für diesen Pessimismus gab es genug – zumindest waren sich die Prognosen ausnehmend einig.

Die Analysten von Goldman Sachs sagten bereits zum Monatsbeginn einen Nachfrageeinbruch von rund 26 Mio. B/T voraus und mussten sich bisher nicht korrigieren. Der Internationale Währungsfonds (IWF) rechnet mit einem Rückgang des Wirtschaftswachstums um drei Prozent. Die OPEC spricht von der möglicherweise niedrigsten Nachfrage seit 30 Jahren, die Weltbank sieht die Nachfrage „dauerhaft gestört“. Auch die Monatsberichte von IEA und DOE hatten keinen anderen Tenor.

Deshalb ist es praktisch unumgänglich, dass sich alle ölproduzierenden Länder bei der Produktion zurückhalten müssen – was sie zumindest in Ansätzen auch tun. Kleinere OPEC-Produzenten setzen die vereinbarten Kürzungen bereits um, unabhängige Förderer wie Norwegen, Brasilien oder Kanada haben ihre Produktion ebenfalls heruntergefahren. In den USA hat sich im Ringen um die Marktmacht bisher nichts getan, doch Saudi-Arabien und Russland haben bereits signalisiert, dass sie sich weitere Kürzungen vorstellen können.
 

Radikalere Schritte nötig?

Interessant daran ist, dass bisher kein Produzent von Abschaltung statt Reduzierung spricht – obwohl dieser radikale Schritt aus Sicht vieler Ökonomen bald unumgänglich sein könnte. Eine Abschaltung könnte als „Eingeständnis der Kapitulation“ zwar zunächst für erneute Negativpreise sorgen, würde aber bald einen Preisboden und dann eine Preiserhöhung nach sich ziehen. Denn das Hochfahren einer ganzen Anlage dauert wesentlich länger als die bloße Anpassung der Fördermenge.

Alle Szenarien und Überlegungen laufen jedoch auf zwei zentrale Erkenntnisse hinaus: Business as usual wird es in den nächsten Monaten nicht geben können – in keinem Land und in keiner Branche.

Anders als viele andere Branchen hat die Ölindustrie zudem keine Möglichkeit, ihr Angebot „coronatauglich“ umzubauen. Öl ist immer Öl. Sie kann also nur ihre Produktion anpassen – und Kürzungen im üblichen Rahmen dürften angesichts der dramatischen Lage bei den Lagerflächen nicht ausreichen.

Zweitens rückt der Ölmarkt momentan enger zusammen, als es jemals der Fall gewesen ist. Alte Marktrivalitäten sind aktuell nicht mehr haltbar, die Produzenten brauchen einen gemeinsamen Weg aus der Krise, um von ihr nicht verschluckt zu werden.

Das ergibt eine völlig neue Konstellation, die in den kommenden Wochen und Monaten noch klarere Konturen gewinnen könnte. Das wiederum dürfte einen erheblichen Einfluss auf die Ölpreise haben. Die Nachfrage könnte zwar wieder steigen und damit etwas Stabilisierung bringen, die Antworten und Maßnahmen der Produzenten werden jedoch vermutlich wichtiger sein.

Denn selbst eine steigende Nachfrage wird in keiner Weise die bisherigen Verluste wettmachen – die Marktteilnehmer kalkulieren alle ihre Handelsentscheidungen momentan mit dieser Realität. Klare, rigorose und vor allem tragbare Maßnahmen beim Angebot dürften also den einzig nennenswerten Aufwärtseffekt nach sich ziehen.

 

Weitere News in Kürze

  • Baker Hughes meldet wöchentlich weniger US-Ölbohranlagen im zweistelligen Bereich
  • Militärische Spannungen zwischen USA und Iran nach Satellitenstart
     

Was im Mai 2020 wichtig bleibt

Was sich zum Monatsende in den USA ankündigte, dürfte im Mai auf der ganzen Welt zum Thema werden: Läuft die Wirtschaft mit jeder neuen Lockerung wieder an oder nicht? Dass es zu einer Rezession kommt, scheint unabwendbar. Doch das Ausmaß und vor allem die Gegenmaßnahmen sind unklar.

Zudem bleibt die Gefahr, dass alle Nationen, die mit Lockerungen zurück in den Alltag gehen wollen, eine zweite Infektionswelle fürchten müssen, die laut Gesundheitsexperten schlimmer werden könnte als die erste.

Auch wenn sich ein gewisser Alltag mit der Pandemie eingestellt hat, ist derzeit absolut nicht sicher, wie es weitergeht. Und diese Unsicherheit wird sich in den Ölpreisen auf jeden Fall niederschlagen. So oder so bleibt das Preisniveau für Heizöl momentan so attraktiv wie schon lange nicht mehr.

Um den besten Zeitpunkt zum Heizölkauf zu ermitteln, informieren Sie sich am besten täglich in unseren Heizölnews und verfolgen die Entwicklung der Notierungen auf unserer Heizölpreisseite.
 

Bleiben Sie gesund und sicher.

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